Thursday, 20 December 2007

‘Sie verstehen nichts von Realpolitik, die Armen.’


Allow me to copy-paste the following brilliant Kurt Tucholsky text about power, compromise and leaving ideals behind ‘naturally’ while being heaved up the ladder of privilege, politics and… filth. This was written around 1920, and you need only change a few terms and you get a pretty good contemporary picture. Des weiteren would I like to encourage reading the rest of Tucholsky’s oeuvre, because a lot of it is very funny in a very dark way. Besser driwwer ze laachen wi ze kräischen? Satire darf, wie bekannt, alles. I want to add to this that satire keeps its quality only if people are not disgusted in their country/politics/economics. If, like in Romania, where desperation has crept up on even the last idealist-cum-activist, satire becomes bad. Simultaneously, all news becomes satire, and hope becomes frail. It is not a pretty sight. Merry Christmas, for crying out loud...
I write this in the light of the most recent outrage surrounding the Minister of Transport, Ludovic Orban (PNL), who ran over a teenage girl on the zebra crossing with his large car, who tried to hush the story down with bribe-silence money paid to the family of the girl (3000 euro first instalment). The police omitted from their report that there had been a girl run over. Orban lied in public, to the press, about there having been only one victim, himself, that he had just touched a car that was parked, and who insisted the press should stop the ‘mediatic lynching’. In the emergency call made by a bystanding citizen, police (giving precisions about the location) encumbered the ambulance services by telling the operator that ‘Nothing happened. He only got her on the hood!’ Orban also made, under the influence of alcohol, a threatening phone call to one journalist named Robert Turcescu (who I admire greatly for his analytical clarity, and, his integrity) who had made a few reports on Realitatea TV about the case. The same journalist received a further threat call full of insinuations from someone who identified himself as the ‘godfather’ (nasul) of Orban. Minciuna continua!
This is a country where it is really hard to try to move things, and true political opposition is suffocated right from its conception. It makes me go nuts. I would prefer this environment to be less educational, and with more possibilities for change. As Mircea Badea puts it: ‘Traim in Romania si asta ne ocupa tot timpul’ (we live in Romania and this keeps us occupied all the time).

DIE VERRÄTER

Na, Verräter eigentlich nicht. Ein Verräter, das ist doch ein Mann, der hingeht und seine Freunde dem Gegner ausliefert, sei es, indem er dort Geheimnisse ausplaudert, Verstecke aufzeigt, Losungsworte preisgibt... und das alles bewußt... nein, Verräter sind diese da nicht. Die Wirkung aber ist so, als seien sie welche, doch sind sie anders, ganz anders.

Da wird man vom Vertrauen der Parteigenossen ausgesandt, mit dem bösen Feind zu unterhandeln, sozusagen die Arbeiter zu vertreten, die ja inzwischen weiterarbeiten müssen. Und die erste Zeit geht das auch ganz gut. Geld... ach, Geld... wenn die Welt so einfach wäre. Geld ist zunächst gar nicht zu holen. Der Arbeiterführer bleibt Arbeiterführer; leicht gemieden von den Arbeitgebern, merkwürdiges Wort, übrigens. Nein, nein, man bleibt ein aufrechter Mann. Aber im Laufe der Jahre, nicht wahr, da sind so die langen Stunden der gemeinschaftlichen Verhandlungen an den langen Tischen: man kennt einander, die Gemeinsamkeit des Klatsches eint, und es wird ja überall so viel geklatscht. Nun, und da stellt sich so eine Art vertraulicher Feindschaft heraus.
Kitt ist eine Sache, die bindet nicht nur; sie hält auch die Steine auseinander. Zehn Jahre Gewerkschaftsführer; zehn Jahre Reichstagsabgeordneter; zehn Jahre Betriebsratsvorsitzender - das wird dann fast ein Beruf. Man bewirkt etwas. Man erreicht dies und jenes. Man bildet sich ein, noch mehr zu verhüten. Und mann kommt mit den Herren Feinden ganz gut aus, und eines Tages sind es eigentlich gar keine Feinde mehr. Nein. Ganz leise geht das, unmerklich. Bis jener Satz fällt, der ganze Reihen voller Arbeiterführer dahingemäht hat, dieser infame, kleine Satz: „Ich wende mich an Sie, lieber Brennecke, weil Sie der einzige sind, mit dem man zusammenarbeiten kann. Wir stehen in verschiedenen Lagern - aber Sie sind und bleiben ein objektiver Mann..." Da steckt die kleine gelbe Blume des Verrats ihr Köpfchen aus dem Gras - hier, an dieser Stelle und in dieser Stunde. Da beginnt es.

Der kleine Finger ist schon drüben; der Rest läßt nicht mehr lange auf sich warten. „Genossen", sagt der Geschmeichelte, „man muß die Lage von zwei Seiten ansehn..." Aber die Genossen verstehen nicht recht und murren: sie sehn die Lage nur von einer Seite an, nämlich von der Hungerseite. Und was alles Geld der Welt nicht bewirkt hätte, das bewirkt jene perfide, kleine Spekulation auf die Eitelkeit des Menschen: er kann doch die vertrauensvollen Erwartungen des Feindes nicht enttäuschen. Wie? Plötzlich hingehn und sagen: Ja, die Kollegen billigen das nicht, Krieg muß zwischen uns sein, Krieg und Kampf der Klassen, weil wir uns ausgebeutet fühlen...? Unmöglich. Man kann das unmöglich sagen. Es ist zu spät.

Und dann geht es ganz schnell bergab. Dann können es Einladungen sein oder Posten, aber sie müssen es nicht sein - die schlimmsten Verräterein auf dieser Welt werden gratis begangen. Dann wird man Oberpräsident, Minister, Vizekönig oder Polizeipräfekt - das geht dann ganz schnell. Und nun ist man auch den grollenden Zurückgebliebenen, die man einmal vertreten hat und nun bloß noch tritt, so entfremdet - sie verstehen nichts von Realpolitik, die Armen. Nun sitzt er oben, gehört beinah ganz zu jenen, und nur dieses kleine Restchen, daß sie ihn eben doch nicht so ganz zu den Ihren zählen wollen, das schmerzt ihn. Aber sonst ist er gesund und munter, danke der Nachfrage.
Und ist höchst erstaunt, wenn man ihn einen Verräter schilt. Verräter? Er hat doch nichts verraten! Nichts - nur sich selbst und eine Klasse, die zähneknirschend dieselben Erfahrungen mit einem neuen beginnt. –

Photo: Melbourne, Australia, January 2006

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